Tagungsband der Herbsttagung des GDM-Arbeitskreises Problemlösen in Köln 2019
Band 14 der Reihe Ars inveniendi et dejudicandi
Münster: WTM-Verlag 2020.
Ca. 220, Seiten, DIN A5
978-3-95987-171-6 Print 27,90 €
978-3-95987-172-3 E-Book 25,90 €
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0
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Mathematisches Problemlösen erfreut sich bis heute eines großen Interesses innerhalb der fachdidaktischen Forschung. Die Relevanz für das Lernen von Mathematik spiegelt sich in der Präsenz dieser Tätigkeit in den Kernlehrplänen und Bildungsstandards des Faches Mathematik wider. Um über Forschungserkenntnisse zu dieser zentralen Tätigkeit in Austausch zu kommen, hat sich im Jahr 2014 der Arbeitskreis Problemlösen der Gesellschaft für Mathematik (GDM) gegründet. Unter dem Motto Wat jitt dat, wenn et fädich es? hat sich am 17. und 18. Oktober 2019 dieser Arbeitskreis in Köln zu seiner jährlichen Herbsttagung zusammengefunden, um über aktuelle Erkenntnisse zur Forschung über das mathematische Problemlösen zu diskutieren. Als Hauptvortragenden konnten wir Prof. Dr. Dietrich Dörner gewinnen, der zum Denken in der Politik referiert hat. Darüber hinaus wurde in zwölf Vorträgen und vier Posterpräsentationen von 35 Teilnehmenden aus 17 verschiedenen Standorten in Deutschland, Ungarn und Finnland theoretische und empirische Forschung zum Problemlösen präsentiert. Im Anschluss an die Haupttagung haben sich einige Teilnehmende im Rahmen einer Satelliten-Tagung mit der Analyse eines Problemlöseprozesses aus unterschiedlichen methodischen Perspektiven beschäftigt. Ergebnisse und Diskussionen all dieser Forschungsarbeiten sind in insgesamt 14 Beiträgen in diesem Tagungsband zusammengestellt.
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Denken in der Politik pp 3 – 42
Dietrich Dörner
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.01
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Problemorientierter Unterricht in der Primarstufe – eine Analyse des Verhaltens und der Einstellungen von Lehrerinnen pp 43 – 56
Benjamin Rott
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.02
In der hier vorgestellten Studie wird untersucht, wie neun Lehrerinnen aus der Primarstufe problemorientierten Mathematikunterricht gestalten. Hierfür werden sowohl ihre Auswahl an problemhaltigen Situationen als auch ihr Steuerungsverhalten in videografiertem Unterricht analysiert. Zusätzlich werden die Beliefs dieser Lehrerinnen in Bezug auf die Mathematik auf der Basis von Interviews rekonstruiert. Abschließend wird nach Zusammenhängen der Unterrichtsgestaltung und der Beliefs geschaut, wobei sich ein klares Muster ergibt: Lehrerinnen, denen ein problem-solving view zugeschrieben wird, betonen Ideen und Herangehensweisen ihrer Schüler*innen viel stärker als Lehrerinnen, denen ein instrumentalist view zugeschrieben wird. Diese Unterschiede betreffen vor allem abschließende Sicherungs- bzw. Reflexionsphasen der beobachteten Stunden.
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Seminarkonzept zur Förderung der Problemlösekompetenz von Lehramtsstudierenden unter besonderer Berücksichtigung der Metakognition pp 57 – 68
Nadine Böhme & Heike Hahn
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.03
Beim Lernen des mathematischen Problemlösens spielt die Dokumentation des Bearbeitungsprozesses durch die Lernenden eine große Rolle. Neben der Diagnosemöglichkeit eröffnet sich durch das Problemlösen und die damit verbundene Dokumentation auch die Chance zur Reflexion über das eigene Denken und Vorgehen. Lernende können so die eigenen Strategien, Denkvorgänge und Fehler bewusst erfahren und dadurch zu einem planvolleren Vorgehen und einer zielgerichteteren Steuerung des eigenen Problemlöseprozesses gelangen.
Ziel eines Seminars für Lehramtsstudierende im zweiten Mastersemester war es, ihre Problemlösefähigkeit mit besonderem Fokus auf die metakognitiven Fähigkeiten durch u. a. eine Dokumentation des Vorgehens zu fördern. Im Rahmen eines quasi-experimentellen Experimental-Kontrollgruppendesigns mit Prä-Postmessung wurden die Studierenden alle zwei Wochen zur Bearbeitung einer Problemlöseaufgabe und Dokumentation des eigenen Bearbeitungsprozesses aufgefordert. Zusätzlich sollten sie Bearbeitungen der gleichen Problemlöseaufgabe von anderen Lernenden nachvollziehen und eine Rückmeldung hierzu schreiben. Durch die Reflexion des eigenen Bearbeitungsprozesses, entsprechende Rückmeldungen durch die Dozierenden und die Reflexion fremder Bearbeitungsprozesse wurde versucht, die Problemlösekompetenz zu fördern und die Einstellung zum Problemlösen zu beeinflussen.
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Working backwards revisited – Facetten, Arten und Problemtypen pp 69 – 86
Daniela Aßmus & Torsten Fritzlar
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.04
Rückwärtsarbeiten gilt als eine der ältesten heuristischen Strategien mit besonderer Bedeutung für die historische Entwicklung der Mathematik (Engel, 1998; Zimmermann, 1991). Auch heutzutage wird es als wichtiger Ansatz gesehen, der beispielsweise von Pólya (1967) als allgemeines Vorgehen beim mathematischen Problemlösen empfohlen wird, sofern es keinen speziellen Grund für ein anderes Prozedere gibt.
In diesem Beitrag soll zunächst das Rückwärtsarbeiten bzw. die Analysis als heuristische Methode aus historischer Perspektive beleuchtet werden, wobei wir lediglich auf ausgewählte Aspekte eingehen können. Es schließen sich aktuelle mathematikdidaktische Überlegungen zum Rückwärtsarbeiten an, davon ausgehend können Aufgabentypen zum Rückwärtsarbeiten identifiziert und verschiedene Arten des Rückwärtsarbeitens bei der Auseinandersetzung mit diesen beschrieben werden.
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Zum Prozess des Aufwerfens mathematischer Probleme – Validierung eines deskriptiven Prozessmodells pp 87 – 100
Lukas Baumanns & Benjamin Rott
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.05
Schwerpunkt der vorliegenden Studie ist die Entwicklung eines deskriptiven Prozessmodells von Problem-Posing-Prozessen. Dazu wurden 17 Prozesse erhoben, in denen Lehramtsstudierende in Paaren neue Probleme zum sogenannten NIM-Spiel aufwerfen sollten. Aus der Analyse dieser Prozesse wurden fünf inhaltstragende Episodentypen abgeleitet, mit denen sich die Prozesse zeitdeckend beschreiben lassen. Diese Episodentypen wurden sowohl induktiv durch die beobachteten Prozesse als auch deduktiv aus der Theorie zum Problem Posing gewonnen. In einem Ausblick werden Verwendungsmöglichkeiten des deskriptiven Prozessmodells skizziert.
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Die Rolle des Verstehens beim bedeutungsvollen Lernen pp 101 – 105
Jorma Leinonen & Erkki Pehkonen
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.06
Die Entwicklung des Denkens und Verstehens ist das zentrale Ziel des Unterrichtens in allen Schulfächern. In der Mathematik bedeutet es das Entwickeln des logischen, kreativen und akkurat Denkens. Die Denkformen können sich jedoch nicht autonom entwickeln, sondern sie stützen sich auf früheres Wissen, Können und Erfahrungen, d.h. Verstehen. Denken und Verstehen formen ein komplementäres Paar, sie sind die zentrale Aktivität und Resultat des mathematischen Lernens. Die Entwicklung des Verstehens bedeutet die zunehmende Beherrschung von Verallgemeinerungen und Strukturen. Anderseits ist das Verstehen nicht nur Hintergrund und Werkzeug für das Denken, es hat auch mehrere funktionale Rollen. Dann Verstehen bedeutet z.B. die Bearbeitung der Interpretationen und Synthesen. In den Lernumgebungen entwickeln sich verschiedene Aspekte des Denkens, Problemlösens und Verstehens zu einem unentwirrbaren Knäuel, in dem es verschiedene Funktionen gibt. Hier wird das Verstehen innerhalb eines bedeutungsvollen Lernmodells betrachtet, in dem alle Formen des Verstehens ihre eigene Aufgabe haben.
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Herausfordernde Aufgaben – 13 Jahre Zwergen-Mathematik-Olympiade pp 107 – 120
Inge Schwank
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.07
Die Zwergen-Mathematik-Olympiade [ZMO] ist über 13 Jahre hinweg mit insgesamt 2102 Drittklässler*innen (~49,43% Mädchen) im Rahmen von universitären Seminaren zur Mathematischen Begabung durchgeführt worden. Der nahezu erreichten Geschlechterparität liegt die Vorgabe zugrunde, dass pro teilnehmender Klasse ein Mädchen sowie ein Junge als deren Mathematikvertretung zur ZMO entsandt werden können. Die in ihren Schwierigkeitsgraden unterschiedlich herausfordernden Aufgaben entfallen auf 7 Rubriken: R1 einfache arithmetische Einstiegsaufgaben, R2 & R3 anspruchsvollere Aufgaben zu arithmetischen Fähigkeiten, R4 kombinatorisch lösbare Aufgaben, R5 Textaufgaben, R6 Aufgaben zu Mustern und geometrischen Figuren, R7 Ausstiegsaufgaben. Die Seminarleistung liegt, basierend auf Recherchen und Diskussionen zu einschlägiger Literatur, in der Erarbeitung von Aufgabensätzen und der Auswertung mit abschließender Bepunktung der Aufgabenbearbeitungen. In Übereinstimmung mit bekannten Befunden zeigt sich eine Tendenz, dass die teilnehmenden Jungen insbesondere in der Leistungsspitze den teilnehmenden Mädchen (etwas) überlegen sind. Über eine Analyse der Aufgaben und deren Bearbeitungen hinaus ist eine Schlüsselfrage für die Zukunft, welche kognitiven Fähigkeiten Einflussfaktoren für erfolgreiches mathematisches Problemlösen sind, um diese dann gezielt im Mathematikunterricht adressieren zu können. Bislang gibt es dazu erst magere Ansätze.
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Entwicklung einer Maßnahme zur Förderung der Problemlösekompetenz von Studienanfängern der Mathematik pp 121 – 134
Thomas Stenzel
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.08
An der Universität Duisburg-Essen wurde eine Fördermaßnahme entwickelt, die Studienanfänger*innen des Fachstudiengangs sowie des Lehramts für Gymnasien und Gesamtschulen helfen soll, problemhaltige Übungsaufgaben erfolgreich zu bearbeiten. Nach einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Begriffe werden zwei verschiedene Arten von Förderkonzepten vorgestellt: Zum einen solche, die das Erlernen und Beherrschen von Heurismen in den Vordergrund stellen, zum anderen solche, die ihren Fokus auf die Förderung von Selbstregulation bzw. Metakognition legen. Zuletzt werden die Rahmenbedingungen der Maßnahme präsentiert, unter denen eine Anpassung und Weiterentwicklung der bestehenden Konzepte stattgefunden hat.
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Intuition beim mathematischen Problemlösen – Pilotierung einer empirischen Untersuchung zu ihrer Identifikation innerhalb der Sekundarstufe I pp 135 – 148
Janine Dick & Benjamin Rott
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.09
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Identifikation intuitiven Verhaltens innerhalb mathematischer Problemlöseprozessen von Schüler*innen. Sowohl in der Kreativitätsforschung als auch innerhalb der Mathematikdidaktik wird vor allem begabten Schüler*innen ein solches Verhalten attestiert. Im Rahmen einer Pilotierung wurde dazu der Bearbeitungsprozess einer Schülerin zu einer bestimmten Problemaufgabe beobachtet und mit Hilfe eines darauffolgenden Einzelinterviews ausgewertet. Erste Ergebnisse lassen Ansätze eines intuitiven Verhaltens anhand von zuvor aufgestellten Indikatoren erkennen. Daran anknüpfend wird die Ausarbeitung und Präzisierung des Untersuchungsdesigns vorgestellt. Hierbei geht es insbesondere um mögliche Aufgabentypen, die intuitives Verhalten begünstigen könnten, und Erhebungsmethoden, mit denen man entsprechendes Verhalten erfassen kann.
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Mathematisches Problemlösen mit Strategieschlüsseln: Identifikation von Mustern bei deren Verwendung pp 149 – 160
Raja Herold-Blasius
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.10
Der Einsatz von Hilfekarten ist insbesondere in der Grundschule eine weit verbreitete Differenzierungsmöglichkeit. Für deren Verwendung beim Problemlösen im Mathematikunterricht sind dazu bislang kaum Angebote vorhanden. Deswegen wurden für das mathematische Problemlösen im Unterricht allgemeine, strategische Hilfekarten – sogenannte Strategieschlüssel – entwickelt. Sie sollen als Impuls dienen, um Hürden im Problembearbeitungsprozess zu überwinden.
Für diesen Beitrag wurden 16 Dritt- und Viertklässler in aufgabenbasierten Interviews videografiert. Das Videomaterial wurde vierfach kodiert, indem Problemlösestrategien, Phasen des Problembearbeitungsprozesses, Impulse durch die Strategieschlüssel und die Schülerlösung erfasst wurden. Anhand von mehreren Fallbeispielen werden Muster aufgezeigt, die bei den Schülerinnen und Schülern während ihrer Arbeit mit den Strategieschlüsseln identifiziert werden konnten. Es wird erkennbar, welchen Einfluss solche Schlüssel auf den Problembearbeitungsprozess haben und welches Potential diese Art der Hilfekarten für den Mathematikunterricht bieten.
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Zur Entwicklung von zielführenden handlungsstrategien in Problemlöseprozessen von Lernenden im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung pp 161 – 174
Anna-Christin Söhling
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.11
Bislang ist wenig über die (mathematischen) Problemlösefähigkeiten von Lernenden mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung bekannt (vgl. etwa Ratz 2009). Welche Besonderheiten zeigt diese Zielgruppe beim Problemlösen und inwiefern unterscheiden sich ihre Problemlöseprozesse von den Prozessen von Lernenden ohne Förderschwerpunkt? In der im Beitrag vorgestellten Studie wurden Problemlöseprozesse von zunächst 7 Lernenden videografiert und daraufhin untersucht, wie sich zielführende Handlungsstrategien im Laufe eines Problemlöseprozesses entwickeln. Da das langfristige Ziel der Studie der Vergleich zwischen Lernenden mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklungen mit Lernenden ohne Förderschwerpunkt ist, liegt der Schwerpunkt im Projekt vorerst darauf, ein Kategoriensystem zu entwickeln, mit dem die Prozesse beschrieben, übersichtlich dargestellt und letztendlich verglichen werden können. Dafür wurden Handlungsprotokolle der Problemlöseprozesse erstellt und diese mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Das dabei entstandene Kategoriensystem wird im Beitrag im Detail dargestellt.
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Die Rückschauphase beim Lösen mathematischer Probleme pp 175 – 186
Meike Ohlendorf
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.12
Der Phase Rückschau im Anschluss an die Problemlösebemühungen wird bei Pólya (1945), Schoenfeld (1985) oder Mason, Burton & Stacey (1982) eine große Bedeutung beigemessen. In der hier vorgestellten empirischen Erkundungsstudie in den Jahrgangsstufen 9 und 10 zeigt sich jedoch, dass eine solche Reflexion im gegenwärtigen gymnasialen Problemlöseunterricht teils vernachlässigt wird. In der Auswertung von 14 Doppelstunden sollen wichtige Komponenten des Lehrerhandelns während unterrichtlicher Rückschauen erfasst werden. Entsprechende Befunde dieser Erkundungsstudie werden hier vorgestellt und diskutiert.
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Qualitative Analysen und Interpretationen eines Problembearbeitungsprozesses – Ein Vergleich verschiedener Ansätze pp 187 – 213
Anna-Christin Söhling, Benjamin Rott, Janine Dick, Lukas Baumanns, Regina Bruder, Torsten Fritzlar, Daniela Aßmus, Frank Förster, Gabriella Ambrus, Julia Joklitschke, Anne Möller, Inga Gebel
https://doi.org/10.37626/GA9783959871723.0.13
Im vorliegenden Beitrag wird der Problemlöseprozess eines Sechstklässlers zur sogenannten Sieben-Tore-Aufgabe analysiert. Dieser Prozess wird mittels sechs unterschiedlicher qualitativer Ansätze analysiert und interpretiert. Unter den Ansätzen finden sich unter anderem Episodeneinteilungen, Strategiebetrachtungen und die Identifikation kreativen Verhaltens. Mittels dieser Analysen soll das Potenzial der einzelnen methodischen Ansätze für die Analyse des Prozesses sowie die unterschiedlichen Erkenntnisse im Hinblick auf identisches Beobachtungsmaterial dargestellt werden.





